Schriftsteller im Jahr 2000
Interesante entrevista a Heiner Link, familiar de Daniel Link.
Interview mit Heiner Link, am 21. Juli 2000, in München
Wie findet ein Schriftsteller den Weg vom Papier zum Datenhighway?
Auf Papier schreibt der klassische Schriftsteller im Jahr 2000 sowieso nicht mehr. In der Regel arbeitet man am PC, und dann ist das Internet nur mehr einen Mausklick entfernt. Das ist die technische Erklärung. Aber warum geht man überhaupt ins Internet? Weil es ein neues Medium ist, das mich als Schriftsteller in die Lage versetzt, ohne die Zwischenkontrolle durch Verlage oder Lektoren ganz spontan zu veröffentlichen. Eine eigene Homepage ist mit ganz geringem finanziellen Aufwand einzurichten und eröffnet sehr viele Möglichkeiten. Ich habe auf meiner Homepage ein Tagebuch geführt, als Zwiegespräch mit zwei Kollegen und dazu einen Internetbilderroman veröffentlicht. Das sind wunderbare Dinge, die man so einfach in Buchform gar nicht hinkriegt. Ich habe aus der Homepage nun ein Buchmanuskript gemacht, und da tauchen bereits die ersten Schwierigkeiten auf, weil es kein klassischer Roman ist, sondern ein Tagebuch und das wollen die Verlage nicht veröffentlichen, weil es sich nicht verkaufen läßt. Die Verlage wollen heutzutage nur mehr Romane, überspitzt gesagt. Ich will nicht rumjammern, aber das sind die Tatsachen, und daher ist das Internet für mich doppelt und dreifach interessant.
Haben Sie sich an anderen Online-Autoren orientiert?
Vorher gab es natürlich Rainald Goetz´ "Abfall für alle", aber ich hatte dann eine Idee, die in eine andere Richtung geht, nämlich die Identität im Internet zu erforschen. Das Internet erschien mir das ideale Medium dafür. Man schreibt hinaus in eine virtuelle Welt, in ein schwarzes Loch hinein, und kann sich erst mal gar nicht vorstellen, daß irgendjemand auf der Welt das lesen wird. Bei meinem "Album" geht es um die Frage der Identität, das hat mich intellektuell interessiert. Gibt es so etwas wie Identität überhaupt noch? Die Wirklichkeitsebenen haben sich in den letzten 20 Jahren stark verschoben, bedingt durch die neuen Medien. Man muß sich daher überlegen, wo bin ich selber als Schriftsteller, als Künstler verortet. Man muß schon konzentriert lesen und genau hinschauen, um zu erkennen, dass es darum geht. Vordergründig sind es Geschichtchen, die grotesk sind, eine gewisse Komik besitzen. Für den Leser ist das vielleicht nicht so einfach, nachzuvollziehen, aber ich will es dem Leser ja gar nicht einfach machen.
Nun ist das Internettagebuch "Album" fertig. Was haben Sie herausgefunden?
Es ist nicht die Aufgabe der Literatur, Lösungen zu finden, es geht darum, einen Diskurs zu entfachen. Was nicht funktioniert hat, was ich aber gern gehabt hätte, ist, dass es sich auf die Bücherverkäufe auswirkt. Man kann mich im Internet wunderbar kennen lernen, mittlerweile sind das ja über 500 Seiten im Netz.
Kann man Sie übers Internet besser kennenlernen als über ein Interview?
Ja, weil es viel ehrlicher ist. Bei einem Interview muß ich auf Fragen antworten, das ist schon wieder ein Filter, und im Internet liest man nur die Texte. Das ist mir immer noch der liebste Weg: dass man mich über meine Texte kennenlernt.
Arbeiten Sie als Online-Autor anders als Sie für ein Buch arbeiten würden?
Absolut. Im Internet sind die Texte wahnsinnig spontan entstanden. Sie wurden vorher nicht bearbeitet. Meistens habe ich nachts zwischen elf und halb drei geschrieben und dann die Texte sofort ins Netz gestellt. Das ist eine ganz andere Art und Weise Literatur zu machen. Wenn man so spontan arbeitet ist natürlich nicht alles ausgegoren, aber wenn ich es mir jetzt so durchlese, kann man schon sehr vieles so lassen. Ich habe jeden Montag ein Kapitel ins Netz gestellt. Anfangs habe ich zwei Wochen im voraus gearbeitet, aber man wird ja faul mit der Zeit, dann kommen andere Sachen dazwischen und am Ende war ich soweit, dass ich viele Kapitel erst am Sonntag abend geschrieben habe oder gar am Montag. Es war eine interessante Erfahrung, weil ich an ein Buch ganz anders herangehe.
Die einzige Vorgabe war, ein Eintrag pro Woche, jeweils am Montag, mit einem Bild.
Mehr wollte ich mir gar nicht aufbürden. Ich habe immer wieder neu über das Thema Identität nachgedacht, manche Texte wird man vielleicht schwer dem Thema zuordnen können, aber wenn man es im ganzen liest, dann hat schon alles Hand und Fuß, dann gehört das schon zusammen.
Wenn man online schreibt, bearbeitet man die Texte dann anders, weil ja die Grafik dazukommt?
Das hat den Text nicht beeinflußt. Layoutmäßig habe ich nichts aufregendes gemacht. Die Texte sehen bloß deshalb unterschiedlich aus, weil ich technische Probleme hatte. Ich hätte schon professioneller arbeiten können, aber das war mir wurscht.
Das trashige Layout ist also gar keine Masche?
Doch, das schon. Ich habe es zumindest nicht verhindert, weil es den spontanen Charakter verändert hätte, wenn man stundenlang am Layout herumtüftelt.
Wenn ich mir ein zu festes Konzept geschnürt hätte, könnte ich gar nicht spontan jeden Tag auf die Dinge eingehen, die mich aufregen oder die mich beschäftigen, ob das z.Bsp. eine Werbung von Peek&Cloppenburg ist, oder ein Familienfoto von Weihnachten 1944.
Wovon lebt ein Online Autor?
Nicht vom Online schreiben. (lacht) Aber ich glaube, in ferner Zukunft wird das traditionelle Buch den Stellenwert einnehmen, den jetzt die Vinylschallplatte hat. Für mich persönlich ist das natürlich eine Katastrophe. Aber ich bin vierzig Jahre alt. Bei meinen Kindern, die sind neun und zehn Jahre alt, schaut das schon wieder anders aus.
Interview mit Heiner Link, am 21. Juli 2000, in München
Wie findet ein Schriftsteller den Weg vom Papier zum Datenhighway?
Auf Papier schreibt der klassische Schriftsteller im Jahr 2000 sowieso nicht mehr. In der Regel arbeitet man am PC, und dann ist das Internet nur mehr einen Mausklick entfernt. Das ist die technische Erklärung. Aber warum geht man überhaupt ins Internet? Weil es ein neues Medium ist, das mich als Schriftsteller in die Lage versetzt, ohne die Zwischenkontrolle durch Verlage oder Lektoren ganz spontan zu veröffentlichen. Eine eigene Homepage ist mit ganz geringem finanziellen Aufwand einzurichten und eröffnet sehr viele Möglichkeiten. Ich habe auf meiner Homepage ein Tagebuch geführt, als Zwiegespräch mit zwei Kollegen und dazu einen Internetbilderroman veröffentlicht. Das sind wunderbare Dinge, die man so einfach in Buchform gar nicht hinkriegt. Ich habe aus der Homepage nun ein Buchmanuskript gemacht, und da tauchen bereits die ersten Schwierigkeiten auf, weil es kein klassischer Roman ist, sondern ein Tagebuch und das wollen die Verlage nicht veröffentlichen, weil es sich nicht verkaufen läßt. Die Verlage wollen heutzutage nur mehr Romane, überspitzt gesagt. Ich will nicht rumjammern, aber das sind die Tatsachen, und daher ist das Internet für mich doppelt und dreifach interessant.
Haben Sie sich an anderen Online-Autoren orientiert?
Vorher gab es natürlich Rainald Goetz´ "Abfall für alle", aber ich hatte dann eine Idee, die in eine andere Richtung geht, nämlich die Identität im Internet zu erforschen. Das Internet erschien mir das ideale Medium dafür. Man schreibt hinaus in eine virtuelle Welt, in ein schwarzes Loch hinein, und kann sich erst mal gar nicht vorstellen, daß irgendjemand auf der Welt das lesen wird. Bei meinem "Album" geht es um die Frage der Identität, das hat mich intellektuell interessiert. Gibt es so etwas wie Identität überhaupt noch? Die Wirklichkeitsebenen haben sich in den letzten 20 Jahren stark verschoben, bedingt durch die neuen Medien. Man muß sich daher überlegen, wo bin ich selber als Schriftsteller, als Künstler verortet. Man muß schon konzentriert lesen und genau hinschauen, um zu erkennen, dass es darum geht. Vordergründig sind es Geschichtchen, die grotesk sind, eine gewisse Komik besitzen. Für den Leser ist das vielleicht nicht so einfach, nachzuvollziehen, aber ich will es dem Leser ja gar nicht einfach machen.
Nun ist das Internettagebuch "Album" fertig. Was haben Sie herausgefunden?
Es ist nicht die Aufgabe der Literatur, Lösungen zu finden, es geht darum, einen Diskurs zu entfachen. Was nicht funktioniert hat, was ich aber gern gehabt hätte, ist, dass es sich auf die Bücherverkäufe auswirkt. Man kann mich im Internet wunderbar kennen lernen, mittlerweile sind das ja über 500 Seiten im Netz.
Kann man Sie übers Internet besser kennenlernen als über ein Interview?
Ja, weil es viel ehrlicher ist. Bei einem Interview muß ich auf Fragen antworten, das ist schon wieder ein Filter, und im Internet liest man nur die Texte. Das ist mir immer noch der liebste Weg: dass man mich über meine Texte kennenlernt.
Arbeiten Sie als Online-Autor anders als Sie für ein Buch arbeiten würden?
Absolut. Im Internet sind die Texte wahnsinnig spontan entstanden. Sie wurden vorher nicht bearbeitet. Meistens habe ich nachts zwischen elf und halb drei geschrieben und dann die Texte sofort ins Netz gestellt. Das ist eine ganz andere Art und Weise Literatur zu machen. Wenn man so spontan arbeitet ist natürlich nicht alles ausgegoren, aber wenn ich es mir jetzt so durchlese, kann man schon sehr vieles so lassen. Ich habe jeden Montag ein Kapitel ins Netz gestellt. Anfangs habe ich zwei Wochen im voraus gearbeitet, aber man wird ja faul mit der Zeit, dann kommen andere Sachen dazwischen und am Ende war ich soweit, dass ich viele Kapitel erst am Sonntag abend geschrieben habe oder gar am Montag. Es war eine interessante Erfahrung, weil ich an ein Buch ganz anders herangehe.
Die einzige Vorgabe war, ein Eintrag pro Woche, jeweils am Montag, mit einem Bild.
Mehr wollte ich mir gar nicht aufbürden. Ich habe immer wieder neu über das Thema Identität nachgedacht, manche Texte wird man vielleicht schwer dem Thema zuordnen können, aber wenn man es im ganzen liest, dann hat schon alles Hand und Fuß, dann gehört das schon zusammen.
Wenn man online schreibt, bearbeitet man die Texte dann anders, weil ja die Grafik dazukommt?
Das hat den Text nicht beeinflußt. Layoutmäßig habe ich nichts aufregendes gemacht. Die Texte sehen bloß deshalb unterschiedlich aus, weil ich technische Probleme hatte. Ich hätte schon professioneller arbeiten können, aber das war mir wurscht.
Das trashige Layout ist also gar keine Masche?
Doch, das schon. Ich habe es zumindest nicht verhindert, weil es den spontanen Charakter verändert hätte, wenn man stundenlang am Layout herumtüftelt.
Wenn ich mir ein zu festes Konzept geschnürt hätte, könnte ich gar nicht spontan jeden Tag auf die Dinge eingehen, die mich aufregen oder die mich beschäftigen, ob das z.Bsp. eine Werbung von Peek&Cloppenburg ist, oder ein Familienfoto von Weihnachten 1944.
Wovon lebt ein Online Autor?
Nicht vom Online schreiben. (lacht) Aber ich glaube, in ferner Zukunft wird das traditionelle Buch den Stellenwert einnehmen, den jetzt die Vinylschallplatte hat. Für mich persönlich ist das natürlich eine Katastrophe. Aber ich bin vierzig Jahre alt. Bei meinen Kindern, die sind neun und zehn Jahre alt, schaut das schon wieder anders aus.
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